Neulich bin ich eingeladen worden zu einem sogenannten Generationengespräch.

1.

Ich erinnere mich, als junger Pfarrer in einer Vakanzvertretung im Altenburger/Geraer Land, wie wichtig mir die Versöhnung zwischen den Generationen war. Der Gottesdienst fand statt in einem Gemeindesaal einer evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde.

Der Begriff war mir wichtig.

Nach dem Bruch 89 kamen auch Vikare aus Westdeutschland zu uns, einer sollte in Altenburg Pfarrer lernen. Wir schmiedeten ein Generationenprojekt: „Der Glaube des Adolf Hitler“ und eine englische Arbeit zu den religiösen Zügen des Nationalsozialismus gaben die Grundlage ab für die Perspektive zweier Generationen. Die der damals über Fünfzigjährigen und die der um die Dreißig. In unserem Fall gab es auch noch das Unterscheidungsmerkmal Ost und West als Sozialisationshintergrund.

Sicher für mich, der ich aus einer sozialistischen Gesellschaft kam in Anführungsstrichen ist das Wort Sozialisierung lange Zeit eine Verhöhnung gewesen ich habe lange gebraucht, um dieses wort in diesem Zusammenhang akzeptieren zu können. Wenn du aus einer Diktatur kommst, aus einem tatalitär gestrickten Staat – autoritär ist auch eine Verharmlosung-sit der Unterscheid zwischen Ost und West ein Abgrumnd und nicht eine Sozialisation. Um so hilfreicher war die Brücke des Generationen – Gespräches zwischen Jungen und Alten. Die hatte in dem Momentum noch eine ganz andere Bedeutung. wir suchten das Gespräch, um Brücken zu bauen über die Abgründe der Geschichte. Ich jedenfalls hatte auch deshalb einen westdeutschen Vikar gerne aufgenommen in mein Arbeitspensum.Jetzt wissen sie auch, weshalb mir – uns- dieses Universalwerk eines Universalgelehrten wie Friedrich Heer,östereichischer-jüdischer Herkunft, Jesuit, Dramaturg im Wiener Burgtheater, studierender Germanist u.a. in Königsberg in seiner Jugend als ehemaliger DDR-Bürger als eine Offenbarung erschien.

Mit diesem Vortrag „Der fatale Glaube des Adolf Hitler“ reisten wir nach Gera, Jena und anderswohin.

2.

Dann kam in dieser Zeit auch das Generationenhaus auf. Und wir waren stolz, daß das lutherische Magdalenenstift in Altenburg schon immer eins gewesen ist: Kindergarten, Pflegeheim, Rüstzeitheim für Konfirmanden, Jugendliche und junge Ehepaare.

Als Kreisungenpfarrer der Superintendentur Schmölln war ich zuständig für die Kreiskonfirmandenrüstzeiten in den Winterferien tief im Sozialismus. Das waren meistens drei Durchgänge je eine halbe Woche für Jugendliche, die in der Regel als Bauernkinder gerade von ihren Patenschmäusen kamen, die noch etwas mit den Schmäusen zu tun hatten, die Matthias Claudius besingt. Sie haben sich konfirmieren lassen und mit diesen Schmäusen wurden die Paten bedacht mit einem langen Gedicht. Sonst gab es keine Geschenke. Sie haben mit diesem Fest den Abgrund zwischen Kirche und Staat ignoriert.

Also sagte ich zu, zumal das Thema LIEBE für dieses Gespräch vorgesehen war. In dem Dreiklang Glaube, Liebe, Hoffnung. In der Bibel ist die Reihenfolge: Glaube, Hoffnung, Liebe.

Die ökumenische Akademie Gera/ Altenburg war der Tonangeber und wollte mit dem Spalatingymnasium für Altenburg diesen Takt auf den Weg bringen.

Mit GLAUBE fing es an. Ein Schüler des Gymnasiums diskutierte mit einer ehemaligen Landrätin (Die Linke). Ein ehemaliger Schüler wollte mit mir diskutieren übrigens anläßlich der Zwanzigjahr-Feier der Schule.

Ich möchte jetzt nicht die Diskussion wiedergeben, sondern einen Aufsatz, den ich zu meiner eigenen Orientierung mir in der Woche davor aufgeschrieben habe, zitieren.

Ich komme aus einer ietzten Zeit des DDR – Sozialismus, in der wir uns folgendes Motto gegeben haben: metanoia, xaris, kairos.

Auf deutsch: Umkehr, Freude und der richtigen Zeitpunkt.

Das sind neutestamentliche Begriffe. Besonders KAIROS hatte es in sich, als wir die Altenburger Akademie aufgebaut haben im Jahr 1988 . Das beweisen 500 Seiten Operativer Vorgang seitens der Stasi. Gorbatschow wußte etwas von diesen Dingen:

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.

Jetzt ist die Zeit der Gnade.

Just.

Aber auch METANOIA . Umkehr. Der Sozialismus sollte ja auch ein Weg sein. Eigentlich auch ein Glaubensweg. Man mußte an ihn glauben. Und jetzt umkehren? Das war gefährlich und das Ziel der Stasi-Akte hieß dementsprechend Abschiebung oder Zuchthaus.

Gegen CHARIS war sicher am wenigsten einzuwenden.

Was bedeutet das Heute? – auch die Zeit bitte nicht verschlafen, da macht man sich schuldig.

Umkehren, wenn es lebensgefährlich wird.

Wie im Hochgebirge.

Nicht um jeden Preis die Trophäe nach Hause bringen wollen.

KAIROS : Den richtigen Takt, Rhythmus, finden im Tanz des Lebens. Das gilt nicht nur für den Zeitpunkt der ersten Liebeserklärung, sondern ist ständig gegenwärtig, wenn es nicht langweilig, öde und fade werden soll. Wenn die Liebe erhalten bleiben soll in allen Dingen zwischen Menschen, die ein Paar werden und einen Bund für ’s Leben schließen wollen, der Bestand haben soll.

Wenn sie Eheleute werden wollen in ihrer Zeit, die selig sein soll, glücklich, jedenfalls hin und wieder.

Die erfüllt sein soll.

Im Deutschen hat das Wort Liebe dreierlei Bedeutung: Die neutestamentliche Liebe, die wir Nächstenliebe nennen, in griechisch heißt sie AGAPE.

Die Liebe der Griechen, wenn sie Leidenschaft meinen: EROS. Es gibt ihn nicht nur in der Liebe zu einem geliebten Menschen, sondern auch zu einer Sache. In der Wissenschaft zum Beispiel. Auch in der Theologie.

Und die geschlechtliche Liebe: SEXOS.

Ich möchte aus meiner Jugend erzählen, als ich in Schmiedefeld am Rennsteig in die Mittelschule ging. Mein Vater war in Stützerbach im sogenannten thüringischen Teil evangelisch-lutherischer Pfarrer und nicht zufrieden mit dem Gottesdienstbesuch. Deshalb hat er das Angebot der „preußischen“ Kirche (Kirche der Union in Sachsen-Anhalt, ehemals preußische Provinz) angenommen und den Evangelisten Fritz Hoffmann eingeladen, der im Auftrag des Jungmännerwerkes (CVJM) in der Reisemission der evangelischen Kirche der Union tätig war. Der spannendste Abend innerhalb einer Missionswoche von Montag bis Freitag war der Donnerstag: Liebe und Ehe. Da kamen sie: die Menschen, die noch nicht ihre Sehnsucht nach Glück und Erfüllung aufgegeben haben. Die sich nicht gleich nach dem ersten Krach scheiden lassen wollen, die nicht nur Leidenschaften entfalteten, sondern auch litten. An ihrem Partner, Partnerin.

An der Welt, so wie sie ist.

Die kleine von Goethe liebevoll gezeichnete Dreieinigkeitskirche im thüringischen Teil (Evangelisch-Lutherische Kirche in Thüringen) im Thüringer Wald mit staatlich anerkanntem Kneipbad und allgemeinem Urlaubsangebot für FDGB- und Privaturlauber war brechend voll.

Es war d a s Thema – neben dem anderen Thema, daß wir sterben müssen.

Liebe und Tod.

Auch Thema im Sozialismus der Endfünfziger des Jahrhunderts also.

Nicht nur bei den großem Romanciers des 19. Jahrhunderts.

In Europa.

Im Abendland, daß ja katholischerweise die Minne erfand.

Oder im Minnedienst des Hohen Liedes des Königs Salomo im Alten(Ersten) Testament.

Und wie ist das bei den Klassikern der Revolution?

DER STILLE DON: die große Wieder-Holung des Menschen im Widerspuch, wenn es um die Liebe geht. Um den EROS. Um SEXOS.

Um AGAPE.

Denn nur sie hält die Dinge zusammen und erträglich, daß es nicht Macht und Gier wird, ein Atomkraftwerk, daß jederzeit in die Luft fliegen kann.

Die Liebe in ihrer dreifachen Bedeutung, wie es die Sprache Homers uns sehr deutlich macht. Und die koine – die griechische Weltsprache z. Zt. des Aufschreibens des Neuen Testamentes. Vergleichbar dem heutigen Englisch.

Fritze Hoffmann, wie er zärtlich genannt wurde von seinen Mitstreitern, hat dazu ein großes Haus an eine imaginäre Wand gemalt. Dieses Wohnhaus hieß AGAPE gleich Liebe, NÄCHSTENLIEBE. In dieses Haus hat er einen mittelgroßen Raum gezeichnet. Der hieß EROS gleich EROTIK. Und in diesen mittelgroßen Raum einen kleinen Raum: SEXOS, also SEX, Ausgangspunkt linke untere Ecke.

So, daß jeder wußte, was gemeint war. Der Ausgangspunkt war entscheidend. Wenn Sie so wollen Sigmund Freud. Darüber EROS, Erotik. Und noch einmal darüber Nächstenliebe.

Liebe, wenn diese drei Formen vorhanden sind.

Insofern hat das Hohelied des Apostel Paulus auf die Liebe: sie ist die größte unter allen, größer als Hoffnung, größer als Glaube, sehr wohl etwas, sogar viel mit dem zu tun, weswegen die Leute „strömten“. – Wie oft werden Fragen in der Kirche beantwortet, die gar keiner gestellt hat. Hier war es anders.

Sie haben nach dem Sinn ihrer Ehe gefragt.

Nach der Schönheit des Lebens.

Nach dem Glauben und der Hoffnung für ihre Zukunft, das heißt, ihre Kinder und Kindeskinder saßen mit im Boot.

Sex ist das Erdöl. Eros der Motor. Und die Liebe das Traumauto. Würde ich meinen Jugendlichen sagen, wenn ich sie noch hätte als im Dienst stehender beauftragter Jugend-Pastor der Evang.-Luth. Kirche in Thüringen. D.h. auch die Bremse, die Kupplung, vor allen Dingen die Lenkung, die Hupe und vieles mehr. Damit niemand Schaden nimmt.

Man kann alles hinterfragen. Auch das Haus mit den Kammern in ihrer Verhältnismäßigkeit und Größenordnung. Mir war es immer eine große Hilfe und ich möchte es weitergeben trotz Sexwelle aus Amerika, trotz Kinsey-Report.

Wegen Sigmund Freud.

Trotz und wegen Diversität.

Nimm und lies: Hohe Lieder der Liebe im Alten Testament:

Das Hohe Lied Salomos Kapitel 1 – 8; Psalm 45,1 – 18

Das Hohe Lied der Liebe im Neuen Testament: 1. Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth, Kapitel 13 1 – 13

Und wenn es um das Glück geht, lies die Bergpredigt:Matthäus 5, besonders den Anfang! – Seligkeit. Wann ist Gott nahe? Das ist keine Täuschung. Das ist Wahrheit und Liebe.

3.

Lassen Sie mich noch etwas hinzufügen.

Als ich im Juni einen Tag vor meinem Geburtstag im Jahr 1988 Sackleinen in „meiner“ neuen Kirche entrollte in Altenburg am Markt an der Trennwand zwischen Taufhalle und Kirche (nach Osten hin), war das die Grundlage für eine aktuelle Wandzeitung.- Ein Begriff, wie wir ihn aus der kommunistischen Bewegung kannten und ich aus meiner Lehrzeit als Möbeltischler ganz konkret – und natürlich aus der sozialistischen Volksbildung – Grundschule in Stützerbach, Mittelschule in Schmiedefeld am Rennsteig – die erweiterte Oberschule durften Pfarrerskinder damals nicht besuchen, womit der Staat sich die ersten Konterrevolutionäre gerade zu erzogen hat. Das gesamte Protestpotential in der DDR bestand übrigens zu nicht geringen Teilen aus vom Sozialismus auf diese Weise abgehängten Un- Bildungs- Kadern.- An dieses Sackleinen konnten Besucher der Offenen Kirche (ein „STASI – Projekt“) ihre Wünsche, Vorstellungen und Verbesserungsvorschläge mit bereitgestellten Stecknadeln – auf Papier aufgeschrieben – anheften.

Folge: Besuch des Zuständigen für Kirchenfragen des Rates des Kreises.

Nach der Revolution haben wir ein Kreuz aufgestellt in der Offenen Kirche, zusammen- geschraubt aus alten Eisenbahnschwellen von einem Vikar, der – wie ich- mit Holz zu tun hatte vor der Theologie: Zimmermann. Und daneben – schon viel früher – die übliche Gebetswand, wie ich sie aus vorrevolutionären Zeiten kannte, wenn meine Frau und ich von unserer ersten Pfarrstelle aus unseren alten Wirkungsort – Berlin besuchten – den Dom, mit seinem Cafe.

Meine Frau zuletzt als Seminarleiterin an der Sektion Philosophie, Kulturwissenschaft, Theaterwissenschaft an der HU, ich weniger wirkungsvoll, aber bemüht den Abschluß als Voraussetzung für ein Pfarramt belegen zu können- mit Verdienstmöglichkeiten für Studierende würde man heute sagen. – Wir haben viel von unserem damaligen Berliner Leben mitgebracht nach Ostthüringen in unsre erste Pfarrstelle im Wismutgebiet mit den reichhaltigsten Böden in Deutschland: An Offfenheit, Unvorsichtigkeit und hoffentlich Freundlichkeit.

Und unsere beiden Berliner Kinder.

Ein thüringisches Kind kam dann auch noch dazu.

Die Gebete waren meine Stütze, um nicht zu verlernen, daß ich nicht Fragen beantworte, die keiner gestellt hat. Die Themen der Gebete waren Krieg, Frieden, Tod und Leben und die Liebe zwischen den Geschlechtern. Die Verehrung gegenüber den Großeltern, die Sorge um sie. Die Sehnsucht nach Liebe. Die Sorge um kranke Eltern, um geschiedene Eltern.

Krankheit!

Bitte um Wunder.

Mir ist aufgefallen wie un – vorsichtig gerade Jugendliche für ihren Freund, ihre Freundin Gebetszettel an diese Wand oder dann auch an das Kreuz geheftet haben. Das Kreuz war mit langen Zimmermannsnägeln bestückt. Jeder/jede konnte seine Bitte so „aufstecken“. – Mir kamen die weißen Papiere wie weiße Flügel an dem Kreuz vor.

Die Katholiken haben mehr Erfahrung in diesen Dingen als wir. Sie sagten mir, in der Osternacht übergeben sie solche Gebete dem Himmel, indem sie sie dem Feuer in der Nacht anvertrauen.

Danke!

Liebe, Hoffnung und Glaube. Die größte unter ihnen die Liebe, AGAPE, die den EROS gespeist aus der Diversität der Geschlechter umgibt und hegt. Auch die Diversität, die uns ganz allgemein ausmacht. Und produktiv ist. AGAPE, daß sie hält die Liebe zwischen Mann und Frau, daß die Gabe der Sexualität geschützt ist.

Das wollte ich noch anfügen zu dem Thema, damit Ihr mehr wisst, aus welcher Zeit wir kommen.

Die Großeltern.

Und auch aus welchem Land.

Notiert am Vorabend des 9. Oktober 2021. Der uns lieber gewesen wäre als Nationalfeiertag als der 3. Oktober.

Veröffentlicht von famwohlfarthtonlinede

Jahrgang 44 Lieblingsbeschäftigung:Schreiben und Predigen.Sehnsuchtsort Ostsee. Wohnort Berlin, Heimat Thüringen. Wenn Du mir schreiben willst, bitte über michael.wohlfarth@t-online.de; https://kaparkona.blog; michael-wohlfarth.jimdo.com; michaelwohlfarth.wordpress.com

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